Verfasser:
Thomas Wüst
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Von der Enteisung von Tragflächen und Diskursen – Urlaubseindrücke

Das erste Mal seit Beginn der Pandemie haben wir uns in diesem Jahr einen Urlaub auf den Kanaren gegönnt. Als wir den Flug gebucht hatten bestand noch Maskenpflicht im Flieger, die jedoch zwei Tage vor unserem geplanten Abflug de facto aufgehoben wurde – angetrieben von Politiker-Fernflügen (bewusst nicht gegendert), die ohne Masken stattfanden. Für uns war dennoch klar, dass wir unseren Flug nur mit FFP2-Maske antreten würden. Umso erfreuter waren wir, dass die überwiegende Mehrzahl aller Fluggäste sich und andere auch geschützt haben und ebenfalls Maske trugen.

Als wir bereits angeschnallt im Flieger saßen, trat der Pilot plötzlich aus seiner Kabine und teilte den Passagieren die Hiobsbotschaft mit, dass die Enteisungsanlage der Tragflächen nicht richtig funktioniere und er darauf hoffe, dass er im Sinne aller Passagiere handele, so nicht zu starten. Leider war die Fluggesellschaft dann nicht mehr in der Lage für Reparatur oder Ersatz zu sorgen und wir mussten in einem Flughafenhotel übernachten, um am nächsten Tag die Reise antreten zu können. Selbstredend war die Kommunikation der Airline ein einziges Desaster, aber wir ließen uns die Vorfreude auf den Urlaub dadurch nicht verderben – dafür gibt es ja die Regelungen nach EU261.

Unser Urlaub war sehr schön und wir genossen die Zeit, die wir zumeist an der frischen Meeresluft verbrachten – wegen Corona suchten wir uns beim Frühstück und Abendessen regelmäßig Restaurants mit Sitzplätzen im Freien. Neben ausgiebigen Wanderungen am Meer und in der herrlichen Natur standen natürlich auch die Besuche bei den putzigen Streifenhörnchen, die es im Unterschied zu früher durch entsprechende Maßnahmen nur noch in wenigen Gebieten auf Fuerteventura gibt, auf dem Programm. Die niedlichen aber auch invasiven Tierchen, die von Marokko aus auf die Kanaren kamen, haben auf Fuerteventura wenig natürlichen Feinde und vermehren sich stark, was wiederum das natürliche Gleichgewicht auf der Kanareninsel gefährdet. Wir haben sie nur noch bei Las Salinas del Carmen, bei den Höhlen von Ajuy und bei einigen einsamen Windmühlen angetroffen.

Übrigens: Wer auf Lanzarote ist, sollte sich eine Wanderung auf dem Guinate-Höhenweg mit herrlichem Panoramablick auf die vorgelagerte Insel La Graciosa nicht entgehen lassen, und wer auf Fuerteventura Urlaub macht, sollte unbedingt die Insel Los Lobos von Corralejo aus besuchen. Das nur in aller Kürze zwei kleine Tipps von unserem Urlaubstrip. Wer noch mehr Tipps für einen Kanarenurlaub braucht, darf sich gerne bei mir melden.

Mitten im Urlaub erreichte mich plötzlich die Nachricht, dass Matthias Dell in seiner Mediasres-Kolumne „Warum Produktionsfirmen Precht und Welzer lieben“ im DLF aus meinem letzten Blog „Follow the money: Kommerzielle Interessenkonflikte bei Polit-Talks“ zitiert hat, was mich natürlich sehr gefreut hat. So erhielt ich auf meinen Text schon zuvor zahlreiche Rückmeldungen, die sich bei mir für die Aufklärung darüber bedankten, da es über diese kommerziellen Interessenkonflikte im ÖRR, die im Zentrum der politischen Meinungsbildung einfach nichts zu suchen haben, bislang viel zu wenig Transparenz gibt. So schloss sich Matthias Dell meiner Forderung an, die Folgen dieser kommerziellen Strukturen für die politische Meinungsbildung in unserer Gesellschaft einmal kritisch zu prüfen.

Diese Forderung erhebe ich seit 2019 gebetsmühlenartig. Habe dazu Redaktionen, Rundfunkräte und Medienmagazine angeschrieben und darum gebeten, hier in der Öffentlichkeit einmal Transparenz herzustellen. Wie groß das Bedürfnis danach ist, haben die vielen Rückmeldungen auf meinen Blog gezeigt, der weit über 3.000-mal gelesen wurde (ich nutze dafür keine Cookies, daher ist diese Zahl nur eine grobe, konservative Schätzung aus den Twitter-Statistiken). Der ÖRR wäre gut beraten, hier proaktiv tätig zu werden und transparent zu machen, welche kommerziellen Interessenkonflikte es bei den Produktionsfirmen gibt und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden, um diese einzudämmen. Die restriktive Trennung von Redaktion und Moderation wäre beispielsweise bei diesen Formaten ein erster wichtiger Schritt, dem aber noch viele weitere Folgen müssten, um den damit verbundenen Diskurs zu enteisen und in Gang zu setzen. Denn während bei Flugzeugen eine Enteisungsanlage für die Tragflächen obligatorisch ist, muss der Prozess der Enteisung des Diskurses über die kommerziellen Interessenkonflikte bei Polit-Talks im ÖRR erst noch auf möglichst breiter gesellschaftlicher Basis initiiert werden, um das Vertrauen in den ÖRR und die Qualität unseres ÖRR zu stärken. Der Beitrag von Matthias Dell im DLF war dafür nur ein erster kleiner Schritt.