Good News: Die Wirklichkeit jenseits des kranken Mannes Europas
Ist Ihnen zuletzt auch des Öfteren die Floskel begegnet, dass Deutschland derzeit wieder der „kranke Mann Europas“ sei? Gleichzeitig hat der DAX, der zugegeben vor allem aus international ausgerichteten Konzernen besteht, die nur etwa 20 % ihres Umsatzes in Deutschland erwirtschaften, neue Höchststände erzielt. Dennoch regiert derzeit auch medial die schlechte Stimmung, von der vor allem extreme Kräfte in der Politik profitieren, beschert doch der Grundsatz „only bad news are good news“ mehr Clicks und Aufmerksamkeit.
Klar gibt es hierzulande viel Verbesserungspotenzial, wie z.B. die ZDF-Doku von Christian Sievers „Stillstand und Regelungswut – verspielt Deutschland die Zukunft?“ in der vergangenen Woche an verschiedenen Beispielen eindrucksvoll gezeigt hat. In dem sehenswerten Film über die deutsche Regelungswut wird jedoch auch das konstruktive Beispiel gezeigt, wie durch die Entwicklung einer Kindergeld-App in Hamburg aus 19 Formularen drei wurden, die junge Eltern nun online ausfüllen können, wovon alle profitieren (vgl. Link).
Die vielen schlechten Nachrichten, die derzeit hierzulande kursieren, versperren den Blick auf solche Beispiele und viele andere gute Nachrichten, die aus verhaltensökomischen Gründen als weniger relevant eingestuft werden wie schlechte, bei denen wir instinktiv aufgrund ihres Gefährdungspotenzials für uns selbst in eine alarmistische „Habachtstellung“ verfallen. Daraus resultiert jedoch ein negativ verzerrtes Bild der Wirklichkeit, das extremen politischen Kräften, die davon besonders profitieren, wenn es Deutschland schlecht geht, in die Karten spielt.
Oder haben Sie in den letzten Wochen mitbekommen, dass
– Siemens (keine Anlageempfehlung!) in diesem Jahr eine Milliarde Euro in Deutschland investieren wird, u.a. in den Standort Erfurt zum Ausbau eines „industriellen Metaverse“,
– Deutschland aus der Versteigerung von Windkraftlizenzen im kommenden Jahr 630 Millionen in den Meeresschutz investiert,
– an der Uni Tübingen vielversprechende Tests mit einem ferngesteuerten Hirnschrittmacher ablaufen, die Parkinson-Symptome betroffener Patient*innen lindern können,
– in Heidelberg das größte Gebäude Europas mit Hilfe eines 3D-Druckverfahrens erstellt wurde,
– Schüler aus Hessen einen Stromsparkasten in Form eines smarten Dimmers erfunden haben, mit dem bestehende Laternen nachgerüstet werden können,
– in Niedersachsen erfolgreich mit dem Anbau von Wassermelonen experimentiert wird, um Transportwege und Wasser zu sparen,
– von den Geflüchteten, die 2016 zu uns kamen und noch hier sind, zwei Drittel nach 6 Jahren in Vollzeitjobs arbeiten – 70% davon in qualifizierten Jobs,
– trotz der schwierigeren wirtschaftlichen Lage der Arbeitsmarkt in Deutschland relativ stabil bleibt und auf Basis des Arbeitsmarktbarometers des IAB weiterhin über positive Aussichten verfügt,
oder
– das 49 Euro-Ticket zu einer spürbaren Verlagerung von der Straße auf die Schiene geführt hat und die Zahl der Pendler*innen im Juni um mehr als 25 % gegenüber dem Vormonat gestiegen ist?
Diese guten Nachrichten – im Kleinen wie im Großem – wirken wie Balsam auf der Seele, finden jedoch in der Öffentlichkeit viel zu wenig statt. Ich habe einige davon aus dem Good News-Newsletter der Noah Foundation übernommen (vgl. Link). Auch würde eine konstruktive Sicht auf aktuelle Probleme zu mehr Motivation führen, diese zu lösen. Lassen Sie sich also v.a. von rechtsextremen Kräften nicht einreden, dass aktuelle Probleme so groß wären, dass sie nicht lösbar seien – außer durch einen radikalen, national-fokussierten Systemwechsel. Diese politisch-motivierte Suggestion ist schlichtweg falsch und wird von einem negativ verzerrten Blick auf die Wirklichkeit begünstigt. Bleiben Sie konstruktiv – gerade eine rezessive Phase bietet viele Chancen, die wir nun nutzen können und müssen.
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