Das ökonomische Prinzip von Polit-Talks
Das ökonomische Prinzip ist ein Grundsatz der Wirtschaftstheorie wie mit knappen Ressourcen möglichst rational umgegangen werden sollte, um den Nutzen daraus zu maximieren. Unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk wurde ursprünglich aus guten Gründen so konzipiert, dass für ihn dieses ökonomische Prinzip in seiner puristischen Ausprägungnicht nicht gilt. Denn er hat die Aufgabe, für eine mediale Grundversorgung der Bevölkerung zu sorgen. Die dafür benötigten Mittel werden regelmäßig von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ermittelt. So weit, so gut.
Dass nun die Intendant*innen der ARD und des ZDF es zulassen, dass dieses ökonomische Prinzip ausgerechnet in Polit-Talks, die das Zentrum der politischen Meinungsbildung in unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunk darstellen, Einzug hält, ist eine Sünde an unserer Demokratie, die mich verzweifeln lässt. Durch die vordergründig bequeme Auslagerung von Polit-Talks an kommerzielle Produktionsgesellschaften, die vertraglich definierte Quotenziele, sowohl linear als auch digital erreichen müssen, halten privatwirtschaftliche Interessenkonflikte Einzug in unseren ÖRR, der durch seine Beitragsfinanzierung eigentlich frei davon sein sollte.
Durch diese strukturelle Fehlkonstruktion befinden sich die Produktionsgesellschaften, deren Geschäftsführer*innen zumeist die Moderator*innen des jeweiligen Polit-Talks sind, im Spannungsfeld des ökonomischen Maximal- und Minimalprinzips. So haben die Geschäftführer*innen einerseits den Interessenkonflikt, dass sie ihren persönlichen Nutzen maximieren können, in dem sie aus den vertraglich vereinbarten Zahlungen, für sich das Maximum generieren können, indem sie z.B. an Recherchekapazitäten, Live-Faktenchecks oder Personalkosten sparen. Zudem erhöht jede prekär beschäftige Mitarbeiter*in die Gewinnspanne der geschäftführenden Gesellschafter*innen. Zudem wird so die in vielen privatwirtschaftlichen(!) Redaktionen gepflegte Trennung von Verlag und Redaktion ausgerechnet in den Polit-Talks des öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ausgehebelt.
Noch schlimmer zum Schaden unserer Demokratie ist jedoch, wenn das Minimalprinzip zur Anwendung kommt: So lassen sich in Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie Quotenziele am leichtesten erreichen, wenn man eine möglichst polarisierende Gäste- und Themenauswahl umsetzt und möglichst schrillen Stimmen eine Bühne bietet. So erreichen die Produktionsgesellschaften mit möglichst geringem Aufwand die vereinbarten Einschaltquoten und Clickzahlen. Dass durch diesen kommerziellen Druck unsere Gesellschaft immer stärker polarisiert wird, lässt sich ganz aktuell an den Eskalationen rund um die längst von Rechtsextremen gekaperten Bauernproteste beobachten.
Alle Intendant*innen, die diese konzeptionelle Fehlkonstruktion mittragen, haben eine Mitschuld an diesen Entwicklungen. Rundfunkräte, die nicht dagegen aufstehen, ebenfalls. Letztendlich sind sie es, die unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgerechnet in der politischen Meinungsbildung ökonomisieren und dadurch selbst zur Demontage unseres eigentlich ach so wichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen. Und das ist wahrlich eine Schande!
Es bedarf hier dringend einer Reform, die dafür sorgt, dass es derartige Fehlkonstruktionen, die im Zentrum der politischen Meinungsbildung unseres ÖRR zu kommerziellen Interessenkonflikten führen, in der bisherigen Form nicht mehr geben kann!!!