Verfasser:
Thomas Wüst
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Das Schweigen der Fernseh- und Rundfunkrät*innen

Konstruktive Kritik am Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk erachte ich für wichtig. Mangelnde Barrierefreiheit, fehlendes Community-Management in sozialen Medien, hetzerische oder falsche Talkshowbeiträge, unzulängliche Trennung kommerzieller Interessen von Produktionsfirmen der Polit-Talks von den Redaktionen – all das sind Beispiele für Themen, weshalb ich in den vergangenen Jahren immer wieder meine Kritik über formelle Eingaben adressiert an die zuständige Rundfunk- bzw. Fernsehrät*innen geäußert habe. Was mir bislang aber noch nicht gelungen ist: Einmal ein Feedback aus dem Kreis der zuständigen Fernseh- bzw. Rundfunkrät*innen auf eine formelle Eingabe zu erhalten. Nicht ein einziges Mal.

Stattdessen antworten Redaktionen. Lustigerweise habe ich 2016 die Antwort eines Redakteurs sogar auf dem Briefpapier des damaligen Intendanten erhalten, was das hier integrierte Bild illustriert. Aber die Antworten, die man von Redaktionen erhält, laufen alle nach dem gleichen Schema ab. Zusammengefasst: Nach dem „Ihr Anliegen ist uns wichtig – wir haben aber schon längst Maßnahmen ergriffen“-Einstieg kommt dann die Rechtfertigung, warum Fehler ab und zu passieren könnten oder es eben keine Fehler wären, die Kritik also ubegründet sei. Danach noch die Schlussfloskel, dass man hoffe, mich als weiterhin kritischen Zuschauer und Nutzer zu erhalten. Immer. Nie anders.

Obwohl ich also meine Beschwerde an die zuständigen Rundfunk- bzw. Fernsehrät*innen richte, antworten sie mir nicht. Es antworten Redaktionen auf Basis von Musterbriefen. Es entsteht der Eindruck, dass man abgespeist wird und es dem eigentlich zuständigen Ratsgremium meilenweit am Allerwertesten vorbeigeht, worüber sich ein kritisches Publikum beschwert.

Beim Punkt mangelnde Barrierefreiheit beispielsweise muss ich regelmäßig Programmbeschwerden abschicken, die objektiv darauf hinweisen, dass z.B. Bildposts auf Twitter keine Bildbeschreibung für Menschen mit Sehbehinderung enthalten. Regelmäßig. Ich erhalte dann stets das Feedback der ÖRR-Redaktionen, dass Barrierefreiheit ja ein wichtiges Thema sei, sie in der Hinsicht schon viel machen würden und es ab und zu halt passieren könne, dass etwas durchflutscht. Dabei habe ich schon 2019 das Feedback erhalten, dass die Redaktionen auf Basis meiner Programmbeschwerde dazu aufgefordert wurden, ihren Workflow bei solchen Postings entsprechend anzupassen. Geschehen ist das jedoch nicht, da es immer und immer wieder vorkommt, dass Bildbeschreibungen fehlen.

Was wäre es schön, wenn man hier einmal ein Feedback eines zuständigen Fernsehrats oder einer Rundfunkrätin erhielte, die sich für ein Thema zuständig fühlt, das immer und immer wieder in der Kritik steht. Dabei wäre der Fernseh- bzw. Rundfunkrat doch das Gremium, das als wichtiges Bindeglied zwischen Gesellschaft und Redaktionen fungieren könnte. Das passiert aber nicht. Bei Programmbeschwerden sind sie zumindest augenscheinlich außen vor, obwohl diese an sie adressiert sind. Das ist ein Zustand, den ich persönlich für untragbar erachte.

Und: Leider ist es in der Praxis so, dass die meiste Kritik am ÖRR effekthaschend in den sozialen Medien geäußert wird, was in den Communities oft viel Klicks und Likes bringt. Ich mache das auch, um eben meine Kritik, die ich auch mittels Programmbeschwerden platziere, zu verstärken – aber ich fühle mich nicht gut dabei. Denn ich weiß, dass diese dort geäußerte Kritik zu 99 Prozent weder die zuständigen Gremien noch die Redaktionen erreicht. Sie bleiben an den Mitarbeiter*innen in den Social Media-Redaktionen hängen, die überhaupt keine Chance haben, sich mit der Flut an kritischen Replies auseinanderzusetzen.

Umso wichtiger wäre es daher, dass formelle Programmbeschwerden von allen Beteiligten ernster genommen würden und sich die zuständigen Gremienmitglieder als zuständige Ansprechpartner*innen auch nach außen hin zu erkennen geben. Das Schweigen der Fernseh- und Rundfunkrät*innen zu formellen Programmbeschwerden verstärkt meiner Meinung nach die Kritik in den sozialen Medien. Und das muss nicht sein. Eine Professionalisierung dieser Kontrollgremien ist daher wichtiger denn je.