Verfasser:
Thomas Wüst
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BaFin, Handwerkerrechnungen, Habeck und die Medien – eine Einordnung

BaFin, Handwerkerrechnungen, Habeck und die Medien – eine Einordnung

Wenn man als Geschäftsführer eines Finanzdienstleisters einen Text über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verfasst, muss man stets ein gewisses Maß an Zurückhaltung üben und das ist auch gut so. Denn es darf in keiner Zeile der Eindruck entstehen, dass man mit der BaFin werblich in Erscheinung tritt. Insofern ist mir an dieser Stelle schon einmal der Disclaimer wichtig, dass alle hier gemachten Äußerungen für alle mittelständischen Finanzdienstleistungsunternehmen gelten, die über eine Lizenz nach §32 KWG verfügen, die nicht befugt sind, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen und die Pflichtmitglied bei der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandels-unternehmen („EdW“) sind. Wenn also ein Finanzdienstleister über die BaFin schreibt, darf nicht der Eindruck entstehen, es sei ein Qualitätsmerkmal für dessen Arbeit oder gar ein Alleinstellungsmerkmal, das ihn von seinen Wettbewerbern abhebt.

In einem Interview mit dem Nachrichtenportal von t-online.de vom 31.7.2020 mit Grünen-Chef Robert Habeck fiel der mittlerweile berühmte Satz: „Die BaFin ist vielleicht gut darin, mittelständischen Unternehmen nachzuweisen, dass Handwerkerrechnungen falsch eingebucht wurden.“ Für diese zugespitzte These wurde Habeck im Nachgang in den sozialen Medien mit Hohn und Spott überzogen. In einem Welt-Artikel vom 2.8.2020 wurde das Thema aufgenommen und erläutert, dass die BaFin gar nicht zuständig sei, Handwerkerrechnungen zu überprüfen – dies übernähme in der Regel das Finanzamt.

Der Laie staunte nicht schlecht und der Fachmann wunderte sich erheblich, wie anschließend diese These von zahlreichen Medien aufgegriffen wurde – darunter auch von Fachmedien aus der Finanzbranche. Dabei hat sich in dieser Posse nicht nur Robert Habeck blamiert, in dem er suggerierte, dass die BaFin für alle Mittelständler zuständig wäre, und eben nicht nur für die von ihr beaufsichtigten Finanzdienstleistungsinstitute. Nein, es haben sich auch all diejenigen blamiert, die auf den Zug des Habeck-Bashings aufgesprungen sind, und sich dabei der verkürzten These angeschlossen haben, die BaFin prüfe keine Handwerkerrechnungen, das sei ja gar nicht ihre Aufgabe.

Offensichtlich gibt es in der Öffentlichkeit erhebliche Defizite darüber, wie ein mittelständisches Finanzdienstleistungsunternehmen von der Aufsicht geprüft wird. Da es zu einem werblichen Charakter verführt, hier alle Prüfungen aufzulisten, beschränke ich mich nachfolgend auf die EdW-Prüfung, die ein oben genanntes Finanzdienstleistungsunternehmen routinemäßig alle 7 bis 8 Jahre erwartet. Gemäß Prüfungsrichtlinie wird diese Prüfung durch die BaFin angeordnet und von der Bundesbank durchgeführt. Unter anderem ist es ein Ziel dieser Prüfung, anhand eines festgelegten Prüfungszeitraums (z.B. 2 Jahre) zu kontrollieren, ob sich ein Finanzdienstleister Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren seiner Kunden verschafft hat. Und in diesem Kontext werden bei der zwei- bis dreitägigen Prüfung vor Ort sämtliche Buchungen, die in dem Prüfungszeitraum auf den Konten eines Finanzdienstleisters stattgefunden haben, kontrolliert. Und zwar Beleg für Beleg. Ausnahmslos. Auch Handwerkerrechnungen, Parkbelege oder Bestellungen für Büromaterial. Habeck wäre also richtig gelegen, hätte er seine Aussage dahingehend spezifiziert, dass die Bafin vielleicht gut darin sei, mittelständische Finanzdienstleistungsunternehmen durch die Bundesbank nachzuweisen, dass Handwerkerrechnungen falsch eingebucht würden. Doch da stellt sich schon die Frage, wie fachlich detailliert die Aussage eines Politikers in einem Interview denn sein muss?

Es ist vielleicht die Ironie eines Shitstorms in den sozialen Medien, dass dieser sich nicht an den zu kritisierenden Details orientiert, sondern an einer falschen These in einem Welt-Artikel. Die BaFin lässt über die Bundesbank sehr wohl auch die korrekte Verbuchung von Handwerkerrechnungen prüfen.

So gehen Aufwandspositionen auch in die Eigenmittel-Kosten-Relation ein, die Gegenstand unterjähriger Meldungen an die BaFin ist. Auf Basis der Gesamtaufwendungen eines Vorjahres wird dabei festgelegt, welche Eigenmittel ein Finanzdienstleistungsinstitut unterjährig vorhalten muss. Daher kommt der korrekten Verbuchung von Aufwandsposten sehr wohl auch eine aufsichtsrechtliche Bedeutung zu. Diese Kontrolle obliegt aber auch nicht dem Finanzamt, sondern in erster Linie dem Wirtschaftsprüfer und dann nachgelagert auf Basis von unterjährigen Meldungen den an einer Prüfung beteiligten Parteien, sprich der Bundesbank und der Bafin.

Wie detailliert eine EdW-Prüfung ausgerichtet ist, erkennt man zum Beispiel daran, dass dabei auch Rundungsdifferenzen in vorgenannten Meldungen erkannt werden, wenn Rundungen nicht auf die korrekte Stelle hinter dem Komma vorgenommen wurden, was dazu führt, dass solche Meldungen beanstandet und nochmals eingereicht werden müssen.

Habeck hat also im Kern mit seiner Aussage schon einen wichtigen Punkt gemacht, der leider in dem Shitstorm untergegangen ist: Hätte die Aufsicht bei Wirecard die gleiche Akribie an den Tag gelegt, wie sie es bei mittelständischen Finanzdienstleistungsunternehmen tut, wäre der Betrugsskandal viel früher aufgeflogen.

Ein wichtiges Detail hierbei ist jedoch, dass die BaFin für die Aufsicht von Wirecard gar nicht zuständig war. Die meiner Meinung nach falsche aufsichtsrechtliche Einstufung des Zahlungsabwicklers war der Grund dafür, dass er von der BaFin nicht überwacht wurde. So fordert auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in seinem Wirecard-Positionspapier, dass Zahlungsabwickler wie Wirecard künftig wie Banken und Versicherungen beaufsichtigt werden müssten. Dabei wäre auch eine Überarbeitung der Prüfungsrichtlinien wichtig, dass ähnlich wie bei der von mir dargestellten EdW-Prüfung auch Zahlungsabwickler, die kein Wertpapiergeschäft betreiben, zumindest auf Basis von Stichproben mit einer ähnlichen Akribie zu prüfen sind, wie deutlich kleinere, mittelständische Finanzdienstleistungsunternehmen im Rahmen besagter Prüfung.

Eine wichtige Lehre aus dem Finanzskandal rund um Wirecard muss daher schon sein, dass die Auf-sicht nicht im Kleinen groß und im Großen klein sein darf. Und dieser Aspekt ist einfach zu wichtig, als dass er in dem Habeck-Shitstorm, der auf beiderseitigen Missverständnissen basierte, nun untergeht.